Die Zitadelle erinnert an Jülichs Schicksalstag

Erinnern heißt, eines Geschehens so ehrlich und rein zu gedenken, daß es zu einem Teil des eigenen Innern wird.“ (Altbundespräsident Richard von Weizsäcker †)

Am 16. November 2014 begrüßten Schülerinnen und Schülern der Jahrgangsstufe Q2 und ihr Projektkurslehrer Dirk Neumann ca. 300 Gäste im Pädagogischen Zentrum des Gymnasiums, um zusammen mit an die Zerstörung Jülichs vor 70 Jahren zu gedenken. Diese Veranstaltung fand großes Interesse bei den Jülicher Bürgerinnen und Bürgern, darunter auch Zeitzeuginnen und Zeitzeugen, die die schwierige Zeit 1944 und danach erlebt und überlebt haben. Viele Vertreter aus der Politik, der Gesellschaft und der Kirchen, etwa der Jülicher Bürgermeister Herr Stommel, der CDU-Landtagsabgeordnete Herr Josef Wirtz, der Weihebischof Dr. Johannes Bündgens und das Land NRW, repräsentiert durch Dr. Wilhelm Schäffer, Staatssekretär des Ministeriums für Arbeit, Integration und Soziales des Landes NRW, waren unter den Gästen.

Q2- Schüler bei der Lichterkette am 16.11.14

Q2- Schüler bei der Lichterkette am 16.11.14

In der knapp einstündigen Veranstaltung führte Dirk Neumann die Anwesenden durch die Jahre 1944 bis 1947 und die Themen „Zerstörung“, „Eroberung“ und „Wiederaufbau“. Sieben Schülerinnen und Schüler des vorjährigen Projektkurses „Jülich 1944-47“ trugen Zitate Überlebender zu den drei Stationen vor, welche die emotionale Betroffenheit spürbar und nacherlebbar werden ließen. Die gleichzeitige sinnvolle Projektion weniger, thematisch passender Fotos vertiefte diesen Eindruck auf gelungene Weise.

Zu den drei Stationen „Zerstörung“, „Eroberung“ und „Wiederaufbau“ leitete Dirk Neumann jeweils kurz ein. So erinnerte er zunächst daran, dass die massive Bombardierung deutscher Städte als eine Ausformung des Krieges symptomatisch für die späten Jahres des Krieges war und dass dies Groß- wie Kleinstädte gleichermaßen traf. Besonders im Westen waren solche Luftangriffe in ihrer Gesamtheit verheerend und richteten großen Schaden an Menschenleben und Bausubstanz an. Er verwies aber darauf, dass die alliierten Bombardements dabei ihr Vorbild an den Einsätzen der deutschen Luftwaffe im Spanischen Bürgerkrieg und der ersten Kriegsjahre nahm.

Mit der Einnahme Jülichs durch amerikanische Truppen am 23.02.1945 fiel ihnen eine menschenleere Trümmerlandschaft in die Hände, die von den unterlegenen Wehrmachtssoldaten nach kurzer Gegenwehr aufgegeben worden war. „Todeshauch vieler nicht geborgener Leichen und verwesender Tierkadaver sollte noch für viele Monate in der Luft liegen“, so Dirk Neumann. Die ersten Jülicher Bürgerinnen und Bürger kehrten mit Beginn des Frühlings nach und nach in die zerstörte Stadt zurück. „Physisch war die Stadt zwar tot, aber im Bewusstsein der Jülicher war sie lebens- und liebenswert geblieben.“

Titelbild des Flyers zu den Veranstaltungen am 16.11.14 in Jülich

Titelbild des Flyers zu den Veranstaltungen am 16.11.14 in Jülich

„Das Aufeinandertreffen mit den Siegern, zuerst auf die amerikanischen, später auf die britischen Besatzungssoldaten, war auf beiden Seiten zunächst vielfach von gegenseitigem Misstrauen und Abneigung geprägt. Dies wandelte sich langsam, aber beständig. Aus Besatzern wurden zunehmend Verbündete, als sich der Kalte Krieg zwischen den beiden Bündnissystemen abzuzeichnen begann.“

„Mit vielen Händen, mit Schaufeln und Spitzhacken, mit Loren und Schmalspurbahnen, haben Männer und Frauen Jülich entschuttet und wiederaufgebaut. Und so kehrte langsam das Leben zurück, auch wenn viele Narben des Krieges im Stadtbild noch auf Jahrzehnte an die Worte gemahnten, nie wieder Krieg führen zu wollen.“

Musikalisch wurde die Veranstaltung von Herrn Pedro Obiera am Klavier durch Improvisationen im Stile Arvo Pärts bereichert, der die historischen Luftaufnahmen des zerstörten Jülichs angemessen und berührend begleitete. Zum Ende der Veranstaltung, als der Bogen von der Vergangenheit zur Gegenwart geschlagen wurde, intonierte eine kleine Besetzung des Kammerorchesters Johann Sebastian Bachs „Air“, während eingespielte Aufnahmen das zerstörte mit dem wiederaufgebauten Jülich ansprechend kontrastierten.

Der Anspruch der Veranstaltung an jenem Jahrestag bestand darin, bei der Erinnerung an den 16. November 1944 und der massiven Zerstörung der Stadt nicht stehenzubleiben, sondern diesen bedeutsamen Tag Jülichs in einen größeren Kontext zu betrachten und daran zu erinnern. Eingerahmt war diese Veranstaltung in einen Tag des Erinnerns, der um 15:28 Uhr am Mahnmal zur Zerstörung Jülichs am Schlossplatz begann und nach dem Aufenthalt in der Zitadelle mit einer Lichterkette vom Mahnmal zu den jüdischen Opfern des Jülicher Landes im 3. Reich am Probst-Bechte-Platz zurück zum Schlossplatz fortgeführt wurde, bevor sie abends mit dem Mozart-Requiem in der Propsteikirche einen würdigen Abschluss fand.

Dirk Neumann