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Der Tag des Vorlesens am Gymnasium Zitadelle

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Der bundesweite Vorlesetag am 18. November hat am Gymnasium Zitadelle Tradition. Dieses Jahr fand er allerdings im Leistungskurs Geschichte der Q2 statt. Hintergrund war die Thematik, denn es wurde aus dem Buch des Vereins „Gedenkbuchprojekt für die Opfer der Shoah aus Aachen“ vorgelesen. Dazu durften wir Frau Offergeld vom Verein Gedenkbuchprojekt, Herrn Krug (Abi-Jahrgang 2016) vom Rimbaud Verlag und Frau Kasberg von der Stadtbücherei Jülich in unserer Schule begrüßen.

Frau Kasberg leitete die Veranstaltung ein, indem sie auf die Kooperation der Stadtbücherei mit dem Gymnasium Zitadelle und die thematische Besonderheit der diesjährigen Lesung verwies. Darauf bot Frau Offergeld interessante Einblicke in das wissenschaftliche Arbeiten und die Entstehungsweise einer historischen Studie. Die Schüler:innen erfuhren, dass die Quellenlage zu weniger bekannten Personen sehr dünn ist, so dass vielfach Zeitzeugeninterviews geführt werden müssen. Im Fall der Shoah macht dies auch Reisen nach Israel zu Überlebenden des Holocaust und Angehörigen Ermordeter notwendig. Zur Informationsbeschaffung sind zudem Prozessakten wichtige Quellen, um die Lebensgeschichte und -umstände eines Menschen nachzuzeichnen. Frau Offergeld las dann aus der Biographie von Julius Voss und seiner Familie vor. Voss war ein jüdischer Metzgermeister, der in Jülich ein entsprechendes Geschäft betrieb, bis die nationalsozialistische Hetze und Anfeindungen das Leben der Familie derart einengten, dass sie sich entschloss, nach Aachen zu ziehen. Von dort aus wurden Julius Voss und seine Frau in den Osten deportiert, wo sie den Tod fanden. Dieses Schicksal teilten weitere Familienmitglieder, z. B. auch diejenigen, die in die Niederlande emigriert waren. Für viele Mitglieder der Familie Voss bedeutete die Ankunft im Konzen­tra­tions­lager Auschwitz den sicheren Tod; nur wenige überlebten.

Bildunterschrift [2]

Die Leistungskursschüler:innen erhielten die Gelegenheit, während der Lesung Fragen zu stellen wie die nach der Länge des Zeitraums zwischen Ankündigung und Publikation. Dass ein solches biographisches Werk umfangreiche Recherchen erforderlich macht und bis zur Publikation mehr als zehn Jahre vergehen können, sorgte für Erstaunen. Eine andere Frage, warum sich der Verein entschieden habe, bei der Vielzahl an Opfergruppen die Geschichte der ermordeten Aachener Juden zum Gegenstand der Nachforschungen zu machen, beantwortete Frau Offergeld bereitwillig. Einerseits sei die Informationsbeschaffung bei manchen Opfergruppen wie die der Homosexuellen äußerst schwierig, es gebe nur wenige Aufzeichnungen, andererseits sei das Gedenkprojekt hauptsächlich das Ergebnis eines anderen Projektes, das das Leben jüdischer Schrift­steller aus Aachen nachgezeichnet habe. In dem Rahmen hätten sich die ehrenamtlichen Mitarbeiter vorgenommen, auch über die Schicksale der einfachen jüdischen Be­völkerung aufzuklären.

An der Stelle schaltete sich Herr Krug, ein ehemaliger Schüler unsere Schule, ein. Er verwies auf die im Rimbaud Verlag erschienene Reihe „Bukowiner Literaturlandschaft“, die Werke deutschsprachiger jüdischer Autoren beinhält. Er führte aus, dass viele jüdische Intellektuelle trotz ihrer Verfolgung durch die Nationalsozialisten an der deutschen Sprache festgehalten und das Erlebte auf Deutsch publiziert hätten. Als Beispiele nannte er Rose Ausländer, eine Dichterin und Freundin von Paul Celan aus Czernowitz, und den ebenfalls in Czernowitz geborenen Schriftsteller Alfred Kittner. Herr Krug las aus den Werken beider Autoren vor. Besonders eindrucksvoll und beklemmend war das Gedicht Kittners aus dem Konzentrationslager, in welchem er die Grausamkeit der Lagerwirklichkeit verarbeitet.

Bildunterschrift [3]

Zum Schluss der Veranstaltung hoben alle Beteiligten hervor, dass die Erinnerung nicht enden dürfe und ein Schlüssel für die Zukunft sei. Die Aufarbeitung der Geschehnisse zwischen 1933 und 1945 in Form von Biographien führe die Opfer des Nationalsozialismus aus der Anonymität der Opferzahlen heraus und würdige ihr Andenken.

Da noch viele Schicksale und Lebenswege jüdischer Einwohner Jülichs in der Zeit des Nationalsozialismus offen sind, lädt der Verein zur Mitarbeit ein, weitere Lücken zu schließen.

U. Diel