Aus dem Archiv: 1974 – Neuer Name, neue Sorgen?

Vor 50 Jahren wurden schulische Nachrichten und dienstliche Mitteilungen, die unsere Lehrkräfte heute per E-Mail erreichen, noch handschriftlich in ein im Lehrerzimmer ausliegendes Mitteilungsbuch eingetragen. Auf diese Weise wünschte Schulleiter Dr. Heinz Renn dem Kollegium zu Beginn des Jahres 1974 „alles Gute, persönliches Wohlergehen (einschl. der Familienangehörigen), viel Freude und Erfolg bei unserer pädagogischen Arbeit und Gottes Segen“. Gleichzeitig gab er bekannt, dass die Schule seit Jahresbeginn kein staatliches Gymnasium mehr war, sondern die Stadt Jülich die Trägerschaft der Schule übernommen hatte. „Unser neuer Name: ‚Gymnasium Zitadelle der Stadt Jülich‘ (so von der Stadt festgesetzt)“. Ob in der Ergänzung in Klammern ein leises Missfallen an der Umbenennung mitschwang?

Die Schüler:innenzahlen erreichten 1974 mit 667 Jungen und 481 Mädchen einen neuen Höhepunkt. Die Gründe für den stetigen Zuwachs der letzten Jahre hatte die Schulleitung bereits im Jahr zuvor benannt: „1) Stärkere Geburtenjahrgänge in den letzten Jahren 2) Viele neue Schüler durch die KFA 3) starker Trend zum Gymnasium 4) die Aufnahme der Mädchen“.

Dies führte zu Problemen, die auch der heutigen Lehrerschaft zum Teil bekannt vorkommen dürften: „Dem Schulleiter obliegt die schwere Aufgabe bei der Fluktuation, der auch das Lehrerkollegium unterliegt[,] und vor allem bei den anwachsenden Klassenzahlen[,] immer wieder neue Lehrer zu suchen“. Sieben ausgeschiedene Lehrpersonen und fünf zusätzliche Klassen mussten im Sommer 1974 „nach vielen Bemühungen, Schreiben und Besprechungen“ mit 26 neuangestellten Lehrer:innen in Voll- und Teilzeit kompensiert werden, sodass die Lehrerschaft der Schule, inklusive eines Französisch-Assistenten, auf 76 Personen anwuchs.

Zudem wurde die Raumnot innerhalb der Zitadelle ein drängendes Problem. „Bedenken wir, daß die Bauplanung 1965 erstellt wurde, als die Schule 424 Schüler zählte. Geplant wurde nach damaligen Verhältnissen sehr großzügig für 800 – 1000 Schüler. Die Zahlen sind heute weit überschritten.“ Zusätzlich zu den vorhandenen 30 Klassenräumen wurden deshalb weitere neun dringend benötigt, sodass „das technische Büro der Schule, der Raum der Verkehrserziehung, der Fachraum für Geschichte und zwei Lehrmittelräume“ zu Klassenzimmern umgewidmet werden mussten. Da diese den Bedarf an zusätzlichen Unterrichtsräumen immer nicht noch deckten, wurden außerdem „im Norden des Innenhofes 2 Pavillons mit insgesamt 4 Klassen aufgestellt“.

Sorgen gab es auch an anderer Stelle. Wie Schulleiter Dr. Renn feststellen musste, „häufen sich die Klagen, daß sich unsere Schüler in Bus und Bahn rüpelhaft und flegelhaft benehmen. Ich bitte die Ordinarien und alle Lehrer, in den Klassen die Schüler auf taktvolles Verhalten hinzuweisen.“

Die Lehrer:innen ihrerseits wurden ermahnt, Klassenarbeiten nicht später als zwei Tage vor den Zeugniskonferenzen zurückzugeben. „Es ist dringend geboten, daß alle Noten etwa 30 Stunden vor der jeweiligen Konferenz eingetragen sind“ – eine Frist, die trotz weitgehender Digitalisierung von Noteneingabe und Zeugniserstellung heutzutage nicht mehr ausreicht.

Angesichts so vieler neuer Herausforderungen, die das Jahr 1974 mit sich brachte, wirkte die „Erinnerung an die Röntgen-Durchleuchtung“, der sich alle Lehrpersonen zur frühzeitigen Erkennung von Tuberkulose-Erkrankungen unterziehen mussten, dagegen fast schon lapidar. Die Untersuchen fanden nachmittags im Gesundheitsamt statt, denn: „Der Röntgenwagen kommt nicht mehr.“

M. Maintz

Quellen aus dem Schularchiv:
• Mitteilungsbuch Gymnasium – Zitadelle 1972 – 1980, S. 25 – 34.
• Heinz Renn: Bericht des Schulleiters „Das Schuljahr 1973/74“, handgeschriebener Entwurf, S.1.
• Ders.: Bericht des Schulleiters „Das Schuljahr 1974/75“, S. 1 – 3.