Warum wir nicht vergessen dürfen.

Wie relevant ist die Auseinandersetzung mit dem Holocaust im Jahr 2025, in einer Zeit, in der antisemitische Tendenzen wieder zunehmen? Vor einem Jahr wurde diese Frage bei einer Podiumsdiskussion mit der Antisemitismus­beauftragten des Landes NRW, Frau Leutheusser-Schnarrenberger, intensiv diskutiert, wobei die Bedeutung von Erinnerungskultur und Bildungsarbeit betont wurde. Die damals geführten Debatten sind heute aktueller denn je und mahnen dazu, die Lehren aus der Vergangenheit konsequent in die Gegenwart zu tragen, um Hass und Ausgrenzung entschieden entgegenzutreten. Daher veröffentlichen wir zum dieswöchigen 80. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz am Holocaust-Gedenktag diesen Bericht.

Frau Leutheusser-Schnarrenberger war anlässlich der Verleihung des Preises für Zivilcourage seitens des Vereins „Gegen das Vergessen für die Toleranz“ in die Herzogstadt gekommen. So nutzte sie die Gelegenheit, an dem Gymnasium Zitadelle am frühen Nachmittag bei einem Kamingespräch zur Bedeutung ihrer Aufgabe als Antisemitismus-Beauftragte vor Oberstufenschüler:innen der Stufen Q1 und Q2 verschiedener Jülicher Schulen zu sprechen.

Nach einer kurzen Vorstellung ihrer beruflichen Vita durch den Moderator Dirk Neumann, Oberstufenkoordinator am Gymnasium Zitadelle, begann der offene Dialog, bei dem Frau Leutheusser-Schnarrenberger die Fragen der Schüler:innen beantwortete. Sie betonte, dass Antisemitismus nicht nur ein Relikt der Vergangenheit sei, sondern auch in der heutigen Gesellschaft auf subtile und offene Weise präsent ist. Besonders hob sie die Rolle der Schulen und Bildungseinrichtungen hervor, die junge Menschen für die Gefahren von Vorurteilen und Diskriminierung sensibilisieren können und müssen.

In der anschließenden Fragerunde stellten die Schüler:innen kritische und reflektierte Fragen. Eine Schülerin wollte etwa wissen, wie es gelingen kann, junge Menschen in einer zunehmend digitalen Welt über Social Media effektiv gegen antisemitische Inhalte aufzuklären. Frau Leutheusser-Schnarrenberger antwortete darauf, dass Bildung und Aufklärung dort ansetzen müssen, wo junge Menschen unterwegs sind – im digitalen Raum. Sie sprach sich für verstärkte Kooperationen zwischen Schulen, sozialen Netzwerken und Bildungsinitiativen aus, um gezielte Gegenstrategien gegen Hassbotschaften und Verschwörungserzählungen zu entwickeln.

Ein Schüler erkundigte sich nach den Möglichkeiten, die Erinnerung an den Holocaust auch für künftige Generationen lebendig zu halten, wenn es immer weniger Zeitzeug:innen gibt. Hierfür betonte Frau Leutheusser-Schnarrenberger die Bedeutung moderner Vermittlungsformen, wie virtueller Zeitzeugengespräche, interaktiver Gedenkstättenbesuche und digitaler Dokumentationen. „Es liegt in unserer Verantwortung, die Geschichten und Erfahrungen der Überlebenden zugänglich zu machen, damit sie weiterhin einen prägenden Einfluss auf die Gesellschaft haben können,“ erklärte sie.

Eine weitere Frage bezog sich auf die Position der AfD zum Holocaust und die Gefahr einer Wiederholung der Geschichte. Frau Leutheusser-Schnarrenberger erklärte, dass der Bundesverfassungsschutz drei Bundesländer, in denen die AfD viele Stimmen hat, als rechtsextrem einstuft und Björn Höcke offiziell als rechtsextrem bezeichnet werden darf. Gleichzeitig wies sie darauf hin, dass nicht alle Mitglieder der AfD strikt rechtsextrem seien, da es etwa auch eine kleine Gruppe jüdischer Mitglieder in der Partei gebe. Allerdings seien Aussagen wie die Verharmlosung des Holocaust als „Fliegenschiss“ in der Geschichte oder die Bezeichnung des Berliner Mahnmals als „Schandmal“ bedenklich und zeigten die judenverachtende Haltung vieler Parteimitglieder. Nachweislich fordere die AfD zudem eine „rein deutsche“ Gesellschaft, verbunden mit einer klaren Ablehnung von Ausländer:innen und insbesondere Muslim:innen. Diese Forderungen seien Ausdruck eines homogenen Gesellschaftsideals, das im Widerspruch zu den Werten einer vielfältigen und offenen Gesellschaft stehe.

Die Podiumsdiskussion zeigte eindrucksvoll, wie wichtig der Dialog zwischen jungen Menschen, Lehrkräften und politischen Verantwortungsträger:innen ist, um eine nachhaltige Erinnerungskultur zu schaffen. Die kritischen und engagierten Beiträge der Schüler:innen machten deutlich, dass das Thema Holocaust auch für die junge Generation von großer Relevanz ist. Frau Leutheusser-Schnarrenberger beendete die Veranstaltung mit einem eindringlichen Appell: „Die Zukunft unserer Gesellschaft liegt in euren Händen. Nutzt eure Stimmen, um gegen Hass und Ausgrenzung einzutreten – jeden Tag aufs Neue.“

D. Neumann