Die Nutzung der Zitadelle im Wandel

Von WOLFGANG GUNIA

Seit 1859 wurde die Jülicher Zitadelle mehrfach anders genutzt. Vorhandene Gebäude und Flächen wurden jeweils den aktuellen Bedürfnissen angepasst, manche Gebäude verschwanden auch ganz, andere kamen dazu. Seit 1859 wurde die Zitadelle genutzt:

  • Bis 1859 Festung
  • Ab 1860 Standort für Militärschulen
  • Ab 1919 bis 1929 Standort für französische bzw. belgische Besatzungstruppen
  • Ab 1941- 1944 Heeresunteroffiziersschule
  • 1944/45 Zerstörung
  • Ab 1972 Staatliches Gymnasium, ab 1974 Gymnasium Zitadelle der Stadt Jülich

Die Luftaufnahme aus der Zeit um 1930 zeigt mehrere Gebäude, die heute nicht mehr vorhanden sind, weil sie im Kriege zerstört wurden und die Ruinen beseitigt wurden, als das Gymnasium Zitadelle gebaut wurde. Links am nördlichen Wall stand ein großer Bau, dahinter im Bereich der heutigen Turnhalle weitere Bauten. Zwischen dem Nord-und Südflügel – im Bereich des heutigen Pädagogischen Zentrums, ist ein kleiner Küchenbau zu sehen. Wozu diese Gebäude dienten, wird unten genauer erklärt.

Seit 1859 hat sich in der Zitadelle vieles verändert:
So viele freie Flächen wie heute gab es früher in der Zitadelle nicht, ganz im Gegenteil: Bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges war es hier enger. Aber als nach dem Weltkrieg die Entscheidung für den Bau einer Schule gefallen war, wurden mehrere Gebäude, die nur noch als Ruinen erhalten waren, beseitigt.
Einige Fotos und Pläne sollen etwas veranschaulichen, was sich seit 1860 in der Zitadelle veränderte, was wie genutzt wurde, was ganz verschwand oder neu hinzukam. Dabei wird jeweils von der heutigen Nutzung ausgegangen und dann über die Nut¬zungen seit 1860 berichtet.
Ein anschauliches Bild vom Inneren der Zitadelle vor dem 2. Weltkrieg vermittelt die Luftaufnahme aus der Zeit um 1930.

Das blieb vom alten Baubestand übrig, nachdem man den Bauplatz für den Schulbau von den für die neue Nutzung nicht mehr benötigten Ruinen befreit hatte.

Das Schloss

Der Ostflügel mit der Kapelle dient heute im Parterre der Schulleitung und Verwaltung des Gymnasiums, einige Bereiche belegt das Museum der Stadt Jülich als Ausstellungsfläche. Die  1. Etage teilen sich Konferenzzimmer, Lehrerzimmer, Schulbücherei und ein Musiksaal im Nordostturm. Im 2.Obergeschoss im Südostturm hat das Museum einen Raum, daneben liegt das Schularchiv unter dem Dach, ein weiterer Musikraum schließt sich im Nordostturm an. In der Zeit des  3. Reiches befanden sich im Parterre ein Offizierscasino und der Stab der Militärschule. Im Nord- und Südflügel befinden sich heute ausschließlich Klassenräume, in der Zeit der Militärschulen hatten dort die Militärschüler ihre Schlafräume, aufgeteilt nach Kompanien.

Pädagogisches Zentrum

Früheres Küchengebäude im Bereich des heutigen Pädagogischen Zentrums (PZ)

Wie jeder sofort erkennt, ist das ein Neubau, der sich im Stil von den Vorgängerbauten abhebt. Bis zum Ende des 2. Weltkrieges stand dort seit der Weimarer Zeit ein als Küchengebäude genutzter kleiner Bau, der mit der vierflügeligen Schlossanlage nicht verbunden war.
Vorher war dieser Bereich unbebaut. Er war Teil eines Ehrenhofes, in dem fünf überlebensgroßen Büsten preußischer Feldherren

Als Grünanlage gestaltete freie Fläche (heute PZ) vor dem Nordflügel

standen. (Genaueres dazu: “Die Zitadelle”, Heft 39, 2010 und in Heft 40, 2011 – Nachtrag zu Heft 39). Der Westflügel des Schlosses wurde im 19. Jahrhundert abgerissen. Der frei gewordene Platz wurde Teil des Ehrenhofes. Der Abriss des Westflügels veränderte den Eindruck des Schlosses ganz entscheidend, da der Eindruck der Geschlossenheit durch die Vierflügeligkeit nicht mehr erlebbar war. Der Bau des PZ des Gymnasiums schließt immerhin den Innenraum wieder

Durch diesen Torbogen unterhalb der Sonnenuhr gelangte man bis Kriegsende durch den Südflügel direkt in den Innenhof des Schlosses.

nach Westen ab und erinnert an die ehemalige Quadrum des Schlosses.

Turnhalle

Die heutige Turnhalle in der Nordostecke ist ein Neubau. Die früheren Gebäude fielen den Bomben des 2. Weltkrieges zum Opfer und wurden abgerissen. Das Foto der zerstörten Gebäude zeigt noch, dass dort bis Kriegsende zwei Gebäude nebeneinander standen: Direkt am Wall lag in der Festungszeit ein Kriegslazarett, in der Zeit danach genutzt als Badeanstalt. Das Gebäude daneben diente ebenfalls als Kriegslazarett und dann als Kompaniekammer und Spritzenhaus . Im 3. Reich lag hier eine Bekleidungskammer.

Blick auf die heutige Turnhalle (unten) und auf die Ruine des ehemaligen Lazaretts (oben). Die heute frei stehenden Torbögen vor der Turnhalle waren einst Bestandteil eines heute nicht mehr vorhandenen Gebäudes. (Entnommen Hartwig Neumann, Zitadelle Jülich, Jülich 1986, S. 96)

Podest vor dem nördlichen Wall

Auf dem lang gestreckten freien Podest vor dem nördlichen Wall stand bis zur Zerstörung im 2. Weltkrieg ein lang gestrecktes zweigeschossiges Gebäude. Vom Obergeschoss, in dem ein Artilleriewagenhaus untergebracht war, konnte in Kriegszeiten mit den Geräten direkt auf den Wall und zur besonders gefährdeten Mariannenbastion gefahren werden. Diese Räume wurden nach 1860 als Turn- und Schulsäle genutzt. Im Parterre befanden sich Küchen und Speisesäle. In einem kleinen Gebäude direkt neben der Nordpoterne lag einst eine Latrine. Eine weitere Latrine lag einst im Bereich des heutigen Institutes.

Bereich zwischen Südflügel und Wall

Kommt man von der Stadtseite in die Zitadelle, erblickt man rechts einen Infopavillon für das Museum und Zitadellenführungen. Etwa zwischen diesem Pavillon direkt an der Wallmauer befand sich bis Kriegsende ein größeres Gebäude, zeitweilig als Sträflingskaserne, danach als Wach- und Arrestlokal sowie als Handwerkstätte und Bibliothek genutzt. Im 2.Weltkrieg hatte dort die Wache ihren Platz.

Das Bild zeigt eine Wachablösung vor dem alten Wachgebäude von 1679, das rechts vom Eingang von der Stadt aus kommend bis zum Ende des 2. Weltkrieges dort stand. (Foto: Hartwig Neumann, Jülich auf alten Postkarten)

Bereich links vom Ausgang der Stadtpoterne (Richtung Lebensbaum)

Auf der linken Seit, etwa dort,wo sich heute Lebensbaum und die Fahrradständer befinden, standen einst mehrere Gebäude .In einem lang gestreckten Gebäude in Höhe des Endes des Südflügels hatte der Festungskommandeur einst eine Wohnung, später wohnten dort Beamte der Schulen . im 2. Weltkrieg hatte dort u.a. ein Friseur seinen Platz. Direkt an den Wall angelehnt (beim Abgang zur Poterne der Johannesbastion), lag versteckt ein kleines Kriegspulvermagazin, später genutzt als Proviantmagazin und eine Bataillonskammer, zuvor ein Artillerie-Schirrmagazin, im zweiten Weltkrieg eine Waffenwerkstatt. Im Wall selbst, dort wo heute die Trafostation untergebracht ist, gab es Zellen für Schwerverbrecher.
Das Pulvermagazin in der Nordwestecke, das Gebäude mit dem preußischen Festungsadler, wird heute nur noch als Abstellbereich genutzt. Dieser sehr alte Bau diente in der Zeit der Militärschulen als Pferdestall, davor über Jahrhunderte als Pulvermagazin.

Die Wälle und Bastionen

Pulvermagazin auf der Johannisbastion

Das in der napoleonischen Zeit errichtete Kriegspulvermagazin dient heute dem Museum und beherbergt den städtischen Besitz an Gemälden des Jülicher Malers Schirmer. In der Festungszeit diente es als gut gesichertes Kriegspulvermagazin, danach als Magazin für das Proviantamt.

Wilhelmsbastion und östlicher Wall

Heute befindet sich auf der Wilhelmsbastion ein Teil der Sportanlagen des Gymnasiums (Ballspielfelder, Anlagen für die Leichtathletik) – Diese Nutzung ist aber nicht neu, denn auch die Militärschulen hatten nach der Festungszeit dort ihre „Turnbastion“. Auf dem östlichen Wall gab es sogar eine Kegelbahn, sicher zur Freude der Militärschüler. Auf dem östlichen Wall liegen heute eine Hundertmeterbahn sowie Weitsprung- und Kugelstoßanlagen. In der Festungszeit standen auf dem Wall zwei Friedenspulvermagazine, die in der Zeit der Militärschulen als Patronenhäuser genutzt wurden.

Die Wallgräben

Heute dient der Wallgraben mit der Kunette (Wasserlauf) als Spazierweg zur Freude vieler Hundebesitzer. Wer die Festung in ihrer vollen Größe erleben will, sollte hier mal einen Rundgang machen. Um drei Seiten der Zitadelle führt der Hartwig-Neumann-Rundweg, lediglich im Norden verlässt der Fußweg den Graben wieder und führt durch den bewaldeten Teil. Nach Ende der Festungszeit konnten die Gräben, die vorher von Bebauung und Begrünung frei bleiben mussten und meist mit Wasser gefüllt waren, auch landwirtschaftlich genutzt werden. Auf alten Absichtskarten sieht man, dass hier zeitweilig Gemüse angebaut wurde, auch Obstbäume sind zu erkennen. So wurde in Notzeiten der mitunter karge Speisezettel der Militärs aufgebessert.

Blick in den teilweise landwirtschaftlich genutzten Wallgraben vor der Wilhelmsbastion von der Kurfürstenstraße aus gesehen (Zeit des 1.Weltkrieges).
In der Zeit der Militärschulen des Kaiserreichs wurden der westliche und östliche Graben als Schießbahnen für die Ausbildung der 1. Und 2. Kompanie der Unteroffiziersschüler genutzt. Mit Handfeuerwaffen wurde von den zwei Schießbahnen jeweils in Richtung Norden geschos¬sen, wo Kugelfänge eingerichtet worden waren.