Peter Fischer (Schüler)

von Dr. Peter Nieveler

Foto aus dem Heimatkalender des Kreises Jülich 1970, S. 42

Er war der jüngste Sohn des Jülicher Buchdruckers und Zeitungsverlegers Josef Fischer, dessen Nachkommen in dritter Generation auch heute noch Buchhandel und Verlag in Jülich auf der Kölnstraße betreiben. Diesen Betrieb hatte Josef Fischer mit dem »Jülicher Kreisblatt« gekauft, das im Hause Fischer bis zum Jahre 1944 erschien.

Zu den Brüdern Peter Fischers zählte Adolf Fischer, der den Verlag übernahm. Sein Onkel war der Erzbischof von Köln, Antonius Kardinal Fischer. Seine Mutter hat er nicht gekannt. Sie starb knapp einen Monat nach seiner Geburt an Typhus.Mit zehn Jahren, Ostern 1893, trat er nach Ausweis eines im Gymnasium Zitadelle der Stadt Jülich vorhandenen Schülerverzeichnisses für die Jahre 1895 bis 1911 in die Sexta des damals Königlichen Gymnasiums in Jülich ein, das er Ostern 1900 mit dem Abschluss nach der Untersekunda – Klasse 10 – verließ, um anderswo das Abitur zu machen, was vor 1905 in Jülich noch nicht möglich war.

Er studierte in Freiburg, Berlin und Bonn Rechtswissenschaft. Seine Doktorarbeit aus dem Jahre 1910 trägt den Titel »Gegenstand der Hypothek am Erbbaurecht«. 1913 heiratete er Paula Peusquens aus Köln, mit der er fünf Kinder hatte.

Seit 1917 arbeitete der am Amtsgericht in Jülich zugelassene Rechtsanwalt Dr. Peter Fischer in der Jülicher Kreisverwaltung mit. Er war Kreisdeputierter, das heißt gewählter Kreistagsabgeordneter, und einer der drei Vertreter des Landrates. Seine be-sonderen sozialen Interessen zeigten sich einmal darin, dass er während der ersten Kriegsjahre mit Bürgermeister und Landrat so genannte »Liebes-gaben« an die Front in Belgien und Frankreich brachte und dabei auch auf das Leid der durch deutsche Truppen besetzten Länder hinwies – wenn denn die 1939 in den Nummern 43- 48 der Rurblumen, einer heimatkundlichen Wochenbeilage zum Jülicher Kreisblatt, erschienene Artikel von seiner Hand sind. Das kann man annehmen, weil der Artikel in Nr. 45 mit »P.F.« gezeichnet ist. Man kann Peter Fischers Urheberschaft aber auch in Frage stellen, weil er da schon drei Jahre tot war. Vielleicht erschienen seine Aufzeichnungen aus dem ersten Weltkrieg zu Beginn des zweiten als mahnender Hinweis, von wem auch immer aus seinem Nachlass herausgegeben, endet doch eine kurze Einleitung in die Artikelserie der Rurblumen mit folgendem Satz: “Wir hoffen damit unseren….Lesern eine mit Rücksicht auf die Zeitlage interessante Lektüre zu bieten.” Sein soziales Engagement wurde aber auch deutlich, als er mit Nachdruck für die Gründung eines Kreiswohlfahrtausschusses eintrat und dessen Aufgaben nach der Gründung am 21. Februar 1919 auch intensiv betreute. Welche Berge sich vor diesem Ausschuss auftürmten, braucht bei der fortschreitenden Inflation und dem ständig größer werdenden Mangel an Grundnahrungsmitteln nicht näher erläutert zu werden. Politisch gehörte Fischer dem Zentrum an und war 1920 Mitglied im Präsidium des für die Katholiken in Jülich bedeutsamen Jülicher Kreiskatholikentages, dem der Landrat als Präsident vorsaß. Dieses Amt hatte im Kreis Jülich, der am 31. Dezember 1972 durch die kommunale Neuordnung aufgelöst und großenteils dem Kreis Düren zugeschlagen wurde, seit 1892 Dr. Friedrich Vüllers inne. Er legte sein Amt zum 01.Oktober 1923 nieder, nachdem er schon seit dem 04. Juli 1923 beurlaubt war.

Mit der Durchführung der Geschäfte des Landrates wurde am Tag der Beurlaubung Vüllers Dr. Peter Fischer beauftragt, der seine Arbeit in einem der schlimmsten Nachkriegsjahre ausgezeichnet erledigte. Es galt, den Menschen in der Inflation mit katastrophalem Geldverfall, im so genannten Ruhrkampf und dem Passiven Widerstand sowie gegen die Separatisten zu helfen.

Die Inflation war eine direkte Folge des Ersten Weltkrieges und der den Deutschen nach ihrer Niederlage auferlegten Reparationszahlungen. Die deutsche Währung auf Gold-Basis wurde im Krieg bald zur Währung in Papier, das in riesigen Mengen bedruckt wurde. Bei immer höheren Preisen konnten die Bürger immer weniger Waren kaufen, Armut und Hunger wuchsen ständig, und das Vertrauen in die Weimarer Republik brach nach und nach völlig zusammen. 132 Milliarden Mark sollten die Deutschen in Dollar, englischen Pfund und französischen Franc an Reparationen zahlen. Obwohl das unmöglich war, versuchten die Franzosen ihre Ansprüche durchzusetzen. Sie rückten durch das von den Siegermächten besetzte Rheinland ins Ruhrgebiet ein, um sich hier an Eisen, Stahl, Kohle und Maschinen für entgangene Reparationen schadlos zu halten. Mit dem so genannten passiven Widerstand – einer Arbeitsniederlegung in allen Bereichen – antworteten die Deutschen. Aber sie hatten keine Chance. Der Widerstand brach nach drei Monaten zusammen. Am 15. November 1923 wurden durch eine Währungsreform aus 4,2 Billionen Mark 4,20 Rentenmark – einer durch Grund und Boden Deutschlands gesicherten Währung – im Gegenwert von einem Dollar.

Der alternde Landrat Dr. Vüllers konnte die Strapazen dieses Zusammenbruchs und ihre Folgen für die Bevölkerung auch körperlich nicht mehr ertragen. Er war ein streng katholisch konservativer Mann, dem die Revolution von 1918 schon sehr zu Herzen gegangen war. Dennoch hatte er seine Amtsgeschäfte redlich weiter geführt, bis die Katastrophen des Jahres 1923 seiner Gesundheit so zusetzten , dass er nicht mehr arbeiten konnte. Peter Fischer nahm das schwere Amt auf seine Schultern.

Noch größere Belastungen für Stadt und Kreis brachten die »Separatisten-Unruhen«. Belgien und Frankreich hatten eine Zeit lang mit einem separaten rheinischen Staat geliebäugelt, der mit enger politischer Bindung an die westlichen Nachbarn einen schönen Puffer zwischen diesen und dem Deutschen Reich abgegeben hätte. Die rheinische Bevölkerung wollte im Ganzen von solchen Plänen nichts wissen. Und so kam es zu Unruhen zwischen der Bevölkerung und den von den Besatzungsmächten unterstützten Sonderbündlern. Nirgendwo ging der Spuk so schnell vorbei wie in Jülich.

Am 23.Oktober 1923 hatten Separatisten, die zum allergrößten Teil nicht aus der Stadt waren, das Rathaus besetzt. Bürgermeister Johannes Kintzen und Landrat Peter Fischer besprachen ihre Vorgehensweise mit einigen wichtigen Bürgern und traten um 16.00 Uhr vor die Separatisten mit der Aufforderung an diese, das Rathaus sofort zu verlassen. Als die Besetzer ihre Gewehre auf Bürgermeister und Landrat richteten, wurden sie von vor dem Rathaus wartenden, beherzt zugreifenden Bürgern in wenigen Minuten aus dem Haus geprügelt. Sie verschwanden und kamen nie mehr wieder.

Trotz der Härte der Umstände hatte Fischer wohl Gefallen an der Verwaltungsarbeit gefunden. 1924 trat er in den Staatsdienst ein und ging zur Bezirksregierung nach Aachen. Kurze Zeit später wurde er in der neu gegründeten Provinz Oberschlesien in Oppeln Vizepräsident. 1933 versetzten ihn die Nationalsozialisten in den vorläufigen Ruhestand. Im Alter von nur 53 Jahren starb er am 14. März 1936 in Köln, wohin er von Oppeln aus gezogen war.

Für Stadt und Kreis Jülich ist Fischer auch durch zwei historische Schriften bedeutsam geworden. Ohne Jahr erschien wohl um 1915 im Verlag seines Bruders in Jülich »Das politische Leben im Kreise Jülich 1848 bis 1918. Erster Teil: Von der Revolution 1848 bis zur Reichsgründung 1871«. Das Werk ist als Quelle für die genannte Zeit bis heute von großer Bedeutung. Leider hat Fischer den zweiten Teil nicht mehr geschrieben. Von ebenso dokumentarischem Wert ist ein Aufsatz in den Rurblumen Nr.38 von 1927, den er in Oppeln schreibt oder fertig stellt: »Die im Kreise Jülich erschienenen Zeitungen bis zum Weltkriege«. Das Werkchen erinnert auch an die verlegerische Arbeit seines Vaters und seines Bruders in Jülich.

Quellen und Literaturhinweise

Stadtarchiv Jülich Rurblumen
Archiv des Gymnasiums Zitadelle der Stadt Jülich, Schülerverzeichnis 1895 bis 1911
Alexander Stollenwerk, 1923 in einer rheinischen Kleinstadt, Der passive Widerstand und die Separatistenzeit im altbesetzten Gebiet, Jülich 1934
Wilhelm Johnen, Geschichte der Familie Fischer, Jülich 1969, S.217
L. Perwitz, Vor 50 Jahren: Kreis und Kreisverwaltung nach dem Ersten Weltkrieg, Heimatkalender des Kreises Jülich 1970, S.37
Wilhelm Johnen, Alte Familien des Jülicher Landes, Heft VII, Jülich 1972, S. 34
Günter Bers, “Freiheit, Heimat, Vaterland”, Die Befreiungsfeier der Stadt Jülich im Jahre 1929, Joseph-Kuhl-Gesellschaft, Jülich 1990
Michael Klöcker, Katholikentage im Erzbistum Köln, Forum Jülicher Geschichte, Band 25, Jülich 2002, S. 299
Horst Wallraff, Vom preußischen Verwaltungsbeamten zum Manager des Kreises, Landräte und Landratsamt in den Kreisen Düren und Jülich von 1816 bis zur Gegenwart, Düren 2004