California Dreamin’ – ein Auslandssemester in Kalifornien

Mein Auslandssemester startete ich mit einem Familienurlaub in Felton, Kalifornien (USA), dort, wo ich dann auch zur Schule gehen wollte. Ich habe mich für diesen Ort entschieden, weil dort gute Freunde von uns leben. Die Familie kennen wir seit vielen Jahren; mit einer ihrer drei Töchter bin ich schon in den Kindergarten gegangen. Meine Eltern und zwei Geschwister blieben drei Wochen. Zusammen haben wir den Camper vorbereitet, in dem ich vier Wochen wohnte, er stand neben dem Haus. Außerdem haben wir die Zeit genutzt, um viele großartige Orte zu besichtigen. Unter anderem sechs Naturparks Kaliforniens: Yosemite, Big Sur-Julia Pfeiffer, Año Nuevo, Henry Cowell, Sequoia- und Kings Canyon Nationalpark. Außerdem campten wir an der Küste am Manresa State Beach. Die Natur war manchmal wirklich atemberaubend und auch deswegen so besonders, weil man auf freilebende Bären, Haie und Seehunde achten musste.

Meine Highschool hieß San Lorenzo Valley High School (SLVH) und war ungefähr fünf Autominuten von meinem Wohnhaus entfernt. Die Schule unterteilte sich in eine Grundschule (Elementary School, 4 Jahre), Mittelstufe (Middle School, 4 Jahre) und Oberstufe (High School, 4 Jahre) mit jeweils eigenem, aber zusammenhängendem Campus. An der High School werden ungefähr 650 Schüler unterrichtet. Alle Schulen der USA unterliegen einem nationalen Rankingsystem. Die Lorenzo Valley High School liegt ungefähr auf Platz 3.000 der nationalen Rangliste. Die Schulen werden nach ihren Leistungen bei den staatlich vorgeschriebenen Tests, dem Schulabschluss und ihrer Vorbereitung auf das College bewertet.

Bei meinem ersten Treffen mit meinen School Counselor (Schulberater) habe ich meine Fächer ausgewählt. Der Stundenplan in den USA ist ein wenig anders als in Deutschland. Man kann insgesamt sechs Fächer belegen, die dann von Montag bis Freitag jeden Tag unterrichtet werden. Folgende Fächer habe ich belegt: 1: Ceramics, 2: Math Analysis, 3: Spanish 2, 4: Photograpy, 5: American Literature und 6: A.P. Biology. Zusätzlich gibt es jedes Semester noch sportliche Aktivitäten, die man wählen kann. Im Wintersemester 2024 stand folgende Sportarten zur Verfügung: Cross-Country, Wasserball, American Football und Basketball. Ich habe mich für Cross-Country entschieden, man könnte das mit Crosslauf übersetzen. Das Training fand jeden Tag nach der Schule statt. Meine Schule befand sich unmittelbar neben dem Naturpark Henry Cowell, so dass wir unsere Laufstrecken immer in diesem Park absolviert haben. Das Rennen dort war sehr schön, weil der Naturpark für seine riesigen, alten Redwood Bäume bekannt ist.

Die Schule bietet zudem Frühstück, Brunch und Lunch an, von denen man zwei kostenlos auswählen kann. Man muss sich aber zwischen Frühstück und Brunch entscheiden. So gab es zum Beispiel zum Brunch einen Breakfast Burrito. Zum Lunch eine Auswahl von Mittagessen, Montag war zum Beispiel Pizzatag, sonst gibt es Poké Bowls und andere Gerichte. Das ist auch gut so, denn wenn man am Nachmittag eine der sportlichen Aktivitäten macht, ist man erst gegen 17:00 Uhr fertig. Viele Kinder kommen aus der größeren Umgebung und haben einen längeren Fahrtweg.
Als Schüler bekommt man einen Studentenausweis, mit dem man die öffentlichen Verkehrsmittel kostenlos benutzen kann. In meinem Alter fahren allerdings die meisten schon mit ihrem eigenen Auto, da sie bereits mit 16 ihren Führerschein machen können.

Amerikanische Schulen haben am Ende jedes Semesters eine große Prüfung in jedem Fach, das belegt wurde. Diese zählen um die 15-25% der Zeugnisnote. Da jeder Lehrer dort selbst entscheiden kann, wie stark die Noten aus Tests und Abfragen in die Endnote eingehen, schwankt die Gewichtung. Ich habe keine Lehrer an meiner Schule getroffen, die mündliche Mitarbeit bewertet haben. Die meisten bewerten entweder im Unterricht bearbeitete Leistung, Hausaufgaben und/oder quizartige Abfragen. Im Unterricht bearbeitete Leistungen sind Arbeitsblätter, die am Ende der Stunde abgeben werden, wie in meinem Spanisch Kurs. Manche Lehrer bewerten aber auch nur Tests und Hausaufgaben. Meine Mathe-Lehrerin hat zum Beispiel alle zwei Wochen einen großen Test geschrieben und dazwischen eine kleinere Quizabfragen durchgeführt. Außerdem sammelte sie zum Ende jedes Sachgebietes das Hausaufgaben-Paket ein.

Der gesamte schulische Alltag ist über eine Online-Plattform organisiert. Unterrichtsstoff, Hausaufgaben sowie der Stundenplan und alle Noten in jedem Fach sind für Schüler, Eltern und Lehrer offen einsehbar. In den Bereichen der einzelnen Fächer sieht man jede Aufgabe, Hausaufgabe, Quiz, Test und Klassenarbeit und wie sie bewertet wurden, oft mit Notizen. So kann man alles nachvollziehen, problemlos mit den Lehrern kommunizieren und verpasst auch keinen Unterrichtsstoff, wenn man mal krank ist.

Das amerikanische Schulsystem unterscheidet sich zudem vom deutschen Schulsystem, weil die Fächer auf verschiedenen Leistungsniveaus angeboten werden. Diese können dann je nach Wissensstand des Schülers ausgewählt werden. Ein gutes Beispiel ist in dem Fall Mathe. Dort gibt es Unterricht auf dem Level Math 1 (Freshmen year), Math 2 (Sophmore year), Math 3 (Junior year), Math Analysis/ Statistics und Calculus (Senior year). Ich bin in das 11. Schuljahr gegangen (Junior year). Aber wenn man zum Beispiel als Freshmen richtig gut in Mathe ist, belegt man gleich Math 2 oder sogar Math 3. Im Vergleich zum deutschen Schulsystem ist das amerikanische Schulsystem differenzierter und auch flexibler, weil man bei guten Leistungen innerhalb des Schuljahres die Niveaus wechseln kann und andersherum auch einen leichteren Kurs nehmen kann, wenn es nicht gut funktioniert. Auf diese Weise habe ich mit Spanish 1 angefangen und bin nach drei Wochen zu Spanish 2 gewechselt.

Die Lehrer an meiner Schule hatten alle ihren eigenen Klassenraum, daher konnten sie diesen individuell, meist auf das Fach bezogen, einrichten. Meine Lehrer waren alle sehr freundlich, hilfsbereit und interessiert an Deutschland, man konnte sich mit allen richtig gut unterhalten. Mein Lieblingsfach war Ceramics, ich habe viel über Ton gelernt und vor allem Töpfern an der Scheibe hat mir so viel Spaß gemacht, dass ich es auch hier unbedingt als Hobby weiterhin verfolgen will. In American Literature haben wir zum Beispiel die Bücher “The Crucible” („Hexenjagd”) von Arthur Miller und „Mein Leben als amerikanischer Sklave” von Frederick Douglass gelesen, beides Klassiker und Unterrichtsstoff an vielen amerikanischen Schulen. Dazu mussten wir u. a. ausführliche Essays schreiben. Die Mathelehrerin war ebenfalls prima und hatte Methoden im Unterricht, die mir zusagten, sodass ich in ihrem Unterricht ziemlich viel gelernt habe.

Als Gastfamilie hatte ich Freunde meiner Eltern, die ich schon aus meiner Kindheit kannte. Somit kamen auch wenige Überraschungen auf mich zu. Meine späteren Freunde waren Freunde meiner Gastschwester, denen sie mich vorgestellt hatte, bevor sie zu einem Semester in Spanien aufbrach. Zudem hat meine Gastfamilie polnische Wurzeln und damit sind sie nicht immer „typische Amerikaner”. Wenn man sich seine Gastfamilie und den Ort nicht aussuchen kann, bringt das ganz sicher mehr Herausforderungen mit sich, vor allem familiäre and lokale Unsicherheiten. Deshalb war ich besonders froh, bei Freunden in Felton, Kalifornien unterzukommen. Die Gegend war wunderschön, es gibt Meer und Wald, die Menschen sind weltoffen, tolerant und ziemlich liberal. Die Lebensumstände waren eben doch meinen deutschen Gewohnheiten ganz ähnlich. Ein Aufenthalt in einer fremden Familie in einer kleinen Vorstadt in Texas könnte ich mir dagegen schwieriger vorstellen.

Das Austauschsemester hat mir viele verschiedene Dinge beigebracht – vor allem über mich und meine Fähigkeiten. Ich habe meine eigenen Arzttermine geplant, durchgeführt und meine Medikamente gemanagt. Außerdem habe ich meinen Tagesablauf selbst organisiert, vom Aufstehen über den Schulalltag bis zum Schlafengehen. Wäsche waschen kann ich jetzt auch. Obwohl ich viele Dinge selbstständig erledigt habe, habe ich mich in meiner Gastfamilie gut aufgehoben gefühlt. Erfolgreich selbständig zu sein und für sich einzustehen, in einem anderen Land und in einer Fremdsprache, gibt einem viel Selbstbewusstsein für die Zukunft.

Organisatorisches für den Aufenthalt

Organisatorisch gesehen war mein Austauschsemester nur möglich, weil ich ein Visum über die Austauschorganisation Northwest Student Exchange bekommen habe. Man kann mit einem Touristenvisum nicht an Bildungseinrichtungen oder Praktika teilnehmen und ist dafür auf ein J-1 Bildungsvisum (Nichteinwanderungsvisum) angewiesen. Diese können nicht über Privatpersonen, sondern nur über Organisationen verteilt werden. Es gibt viele verschiedene Organisationen in Deutschland, die Visa zu Austauschzwecken gegen einen bestimmten Geldbetrag vergeben. Möchte man sich seine Familie aussuchen, kostet das zusätzlich Geld. Es folgt dann ein Bewerbungsprozess, in dem man Zeugnisse, Briefe, Essays und Bilder zusammenstellt. Hat man die Bewerbung erfolgreich bestanden, findet meist noch ein Treffen statt, bei dem alle Austauschschüler für ein paar Tage zusammenkommen. Dann kann man sich kennenlernen, austauschen, wohin man geht und es werden noch die Regeln und Erwartungen der Organisation für den Aufenthalt in den USA geklärt. Auch während meines Aufenthaltes hatte ich einen Betreuer, der sich immer wieder erkundigte, wie es lief und auch meine Gastfamilie unterstützte.

Willi Sachse (EF)